Modul 12 | Queerness
Queerness
#Heteronormativitätskritik #Macht- und Herrschaftskritik #Institutionelle Öffnung
In dieser Lerneinheit wird in den Sammelbegriff „Queerness“ eingeführt. Dies geschieht in einem ersten Schritt durch eine Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, in einer heteronormativ geprägten Gesellschaft, queer zu sein. Die Frage wird dann anhand von Einblicken in Studien über Queerness in Berufsschulen konkretisiert, wobei wichtige Grundbegriffe erläutert werden. Im Anschluss wird ein kurzer Einblick in die Forschungsrichtung der Queer Studies gegeben. Darauffolgend werden, anhand der Vorstellung von Handlungsoptionen und einem Nachdenken über Möglichkeiten (und Grenzen) von Professionalisierung, konkrete Umsetzungsideen für eine differenzsensiblere und queer-freundliche Berufsschule in den Blick genommen. Abgeschlossen wird die Lerneinheit mit einer Aufgabe zur Vertiefung des Themas sowie mit der Bereitstellung weiterführender Materialien.
- Fallbeispiel
- Theorie
- Praxis
- Aufgabe & Reflexion
- Weitere Informationen
Coming-out
Die Lerneinheit beginnt mit einer kleinen Denkaufgabe: Wir stellen uns vor, heterosexuell zu sein. Heterosexualität gilt in unserem Gedankenspiel nicht als Norm. Wir kommen an eine neue Arbeitsstelle, vielleicht an einer Berufsschule. Es gibt Gespräche mit Kolleg*innen, vielleicht auch mit der Schulleitung. Wir sagen den Satz: „Ich bin heterosexuell“. Unser Herz pocht, unsere Hände werden schwitzig. Wie wird mein Gegenüber reagieren? Was werden die neuen Kolleg*innen von uns denken? Werden wir zukünftig verachtet, angefeindet, nicht mehr ernst genommen? Wie ist das Gefühl, als nicht „normal“ eingeordnet zu werden? Ab jetzt werden wir immer wieder aufgefordert, uns zu erklären und intimste Fragen zu beantworten. Wie wäre das für uns? Unendlich anstrengend und nervenaufreibend, oder?
In einer heteronormativ geprägten Gesellschaft werden queere Menschen oft dazu gedrängt, sich zu outen und Fragen über ihr Privatleben zu beantworten, was zu erheblichem Stress und möglichen Gesundheitsproblemen führen kann (vgl. Dürrholz/Kramer 2022, online). Darüber hinaus werden queere Personen häufig als Expertinnen adressiert, da angenommen wird, dass sie aufgrund ihrer eigenen Identität über queere Themen Bescheid wissen, was jedoch oft zu einer Belastung führt, wenn sie als Repräsentator*innen für die gesamte queere Gemeinschaft gesehen werden. Es ist wichtig zu betonen, dass die Aufklärung über Queerness, Sexismus und Transfeindlichkeit nicht primär die Aufgabe der Betroffenen sein kann, sondern eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung darstellt.
Ein Coming-out kann aber auch etwas sehr Empowerndes haben, da das innere Gefühl mit dem äußeren Auftreten in Einklang kommen kann. Hier ist die Gesellschaft und jede*r Einzelne gefragt, so zu reagieren, dass das Coming-out zu einer positiven Erfahrung wird. Im Folgenden erzählt die Autorin Leni Bolt einen Teil ihrer Coming-out-Geschichte und zeigt auf, auf welche Hindernisse sie immer wieder stößt:
„Ich hatte zwei verschiedene Coming-outs. Mein erstes mit 18, als ich dachte, dass ich schwul bin. In meiner Jugend hatte ich lange Probleme damit, meine eigene Identität zu finden und zu festigen. Ich komme aus einer kleinen, konservativen Stadt, ich konnte mich dort nicht frei entfalten. Dann zog ich nach Berlin und entwickelte mich in eine immer weiblichere Richtung. Ich dachte damals, ich könnte nur glücklich werden, wenn ich den klassischen Weg einer Geschlechtsangleichung ginge und zur Frau würde. Dabei habe ich aber gemerkt, dass ich mich im Dazwischen am wohlsten fühle. Der Begriff non-binär passt daher am ehesten zu mir. Und das war dann mein zweites Coming-out: das den Menschen zu erklären.
Meine Utopie ist, dass wir kein Coming-out mehr brauchen. Warum muss ich mich ständig erklären? Ich glaube, unsere Identität und Sexualität entwickeln sich über das ganze Leben weiter. Für meine sexuelle Orientierung habe ich kein richtiges Wort, am ehesten würde es wohl pansexuell treffen: dass ich Menschen liebe, eine Person.
Was mir immer wieder passiert: Menschen sind skeptisch gegenüber nicht binären Personen, weil wir alle eben mit nur zwei Geschlechtern aufgewachsen sind. Toiletten sind ein Problem: Gehe ich aufs Männer- oder aufs Frauenklo? Ich möchte nicht negativ auffallen, ich möchte einfach nur aufs Klo gehen. Leider bekomme ich immer wieder Gegenwind von Leuten, die meine Identität nicht verstehen oder akzeptieren wollen. Ich war mal in der Umkleide einer Modekette, dort gab es strikt getrennte Männer- und Frauenumkleiden. In der Frauenumkleide falle ich grundsätzlich weniger auf, da fühle ich mich auch wohler. Als ich rauskam, hat eine Verkäuferin mich gesehen und eine richtige Szene gemacht. Sie hat laut gefordert, ich müsse in die Männerumkleide. Dabei war ich ja schon fertig. Das war sehr unangenehm, zu-mal ich noch nicht besonders gefestigt und super schüchtern war“ (Dürrholz/ Kramer 2022, online).
Im vorliegenden Fallbeispiel wird deutlich, wie die Erfahrung einer nicht-binären Person in einer konservativen Umgebung mit tief verwurzelten Geschlechternormen immer wieder von Unsicherheiten und Ablehnung geprägt ist. Diese Erfahrungen können auch in einer Berufsschulumgebung auftreten. Auch die Berufsschule hat die Verantwortung, queeren jungen Menschen einen Raum zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu geben. Und das bedeutet auf vielen Ebenen Veränderungen anzugehen. Eine Notwendigkeit, welche sich aus dem oben stehenden Zitat ableiten lässt, ist die Einrichtung von Gendertoiletten. Diese Toiletten respektieren die geschlechtliche Vielfalt und bieten insbesondere nicht-binären Personen die Möglichkeit, Räume zu nutzen, die besser zu ihrer Identität passen. Durch die Vermeidung geschlechtsspezifischer Umgebungen wird das Risiko von Diskriminierung und Belästigung reduziert, was zu einem sichereren und unterstützenden Schulklima beiträgt. Gendertoiletten sind auch ein sichtbares Symbol für die Anerkennung und Förderung der Vielfalt von Geschlechtsidentitäten.
Wir haben durch die an das Fallbeispiel anschließenden Überlegungen schon recht konkret den Handlungsraum Berufsschule fokussiert. Im Folgenden wollen wir noch einmal einen Schritt zurück gehen und auf die Bedeutung von Begriffen, im Kontext von Queerness, einen Blick werfen.
Die deutsche Gesellschaft ist geprägt durch Heteronormativität, also der Annahme, dass heterosexuelles Begehren die einzige und „natürliche“ Art ist, Sexualität und Geschlechtsidentität auszudrücken. Weitere sexuelle Orientierungen und Identitätsvorstellungen wer-den marginalisiert und als minderwertig diskriminiert.
Der Begriff Heteronormativität ist zentral für die Queer Studies und kann als ein gesellschaftliches Ordnungsprinzip verstanden werden, welches geschlechtliches und sexuelles Begehren im Sinne eines binären Geschlechtersystems (Frau + Mann) steuert. In der Heteronormativitätskritik rücken „Reproduktionsmechanismen, Vernetzungen (was bedeutet in dem Zusammenhang Vernetzungen?) und institutionelle Zwänge“ (Henk, 2005, S. 294) in den Fokus und werden dekonstruiert. (erklärt ihr den Dekonstruktionsbegriff in dem Zusammenhang noch irgendwo genauer?)
Heteronormativitätskritik ist eine Analyse von Gesellschaft und Geschichte, um zu verstehen, „wie Heterosexualität in die soziale Textur unserer Gesellschaft, in Geschlechterkonzeptionen und in kulturelle Vorstellungen von Körper, Familie, Individualität, Nation, in die Trennung von privat/öffentlich eingewoben ist, ohne selbst als soziale Textur bzw. als produktive Matrix von Geschlechterverhältnissen, Körper, Familie, Nation sichtbar zu sein“ (Henk 2009, S. 294).
Auch in der Berufsschule wirken diese Machtstrukturen. Es bedarf einer Reflexion hetero-normativer Praktiken, um Stereotype und Vorurteile und den daraus resultierenden Diskriminierungen und Gewaltakten entgegenzuwirken. Denn Studien zeigen, dass queere Menschen Diskriminierungen und Gewalt erfahren. Weltweit gibt es in mehr als 60 Ländern strafrechtliche Verfolgung gegen queere Menschen und in ungefähr sieben Ländern gilt bis heute die Todesstrafe auf Schwul-, Lesbischsein sowie auf Inter- Trans- oder Queer-Sein (vgl. ZDF heute 2023). Im Jahr 2022 gab es über 1400 registrierte Fälle von Hasskriminalität gegenüber LGBTIQ* Personen in Deutschland (vgl. Lehmann 2023). Zu bedenken ist, dass hier die Dunkelziffer weitaus höher liegt. Queer-Sein ist mit Gefahren verbunden, auch in der Berufsschule. Damit wollen wir uns im Abschnitt 3.0 näher befassen. Um anhand der Vorstellung von Studienergebnissen auf die Erfahrungen von queeren Jugendlichen in einer heteronormativ geprägten Umgebung wie der (Berufs)schule eingehen zu können, setzen wir uns zuvor kurz mit Begriffen auseinander und klären, was „Queer“ eigentlich bedeutet.
Heterosexuell umschriebt das romantische oder sexuelle Begehren zwischen „ungleichen (heteros) Geschlechtern (Sexus). Also wenn sich Frauen von Männern und Männer von Frauen angezogen fühlen. Heterosexualität hat sich im Diskurs zu einer unhinterfragten Norm etabliert und gilt als Maßstab, der wiederum „Nicht-Normale“ (trans inter, queer, lesbisch, schwul) konstruiert und deren Diskriminierung ermöglicht“ (Gehört das Satzzeichen dort hin oder wo ist das Zitat zu Ende? Die Zweite Markierung fehlt) (vgl. Regenbogenportal online).
„Und es ist ja nicht so, dass – also, ich war das, denke ich schon, von Anfang, nur hatte ich keine Bezeichnung dafür, nur wusste ich nicht, wie ich es nennen soll. Und jetzt wo ich die Bezeichnung habe, ist es einfach so, ein Gewicht ist runtergefallen, ich weiß Bescheid und ich muss mich irgendwie nicht, ich muss es nicht erklären, sondern ich kann einfach einen Begriff nennen“ (Krell 2021, S. 48).
Wenn wir über den Versuch einer Definition von „Queer“ nachdenken, ist das ein paradoxes Unterfangen, da der Begriff in seiner Bedeutung einer festen Definition widerstrebt. Queer hatte ursprünglich eine negative Bedeutung und kann (als Adjektiv) vom Englischen ins Deutsche übersetzt so viel wie „seltsam“, „schräg“ oder „verrückt“ bedeuten (vgl. diversity art culture online). Durch Selbstermächtigungskämpfe queerer Aktivist*innen ist der Be-griff positiv umgedeutet worden. Mittlerweile wird er bewusst als Selbstbeschreibung von jenen Personen genutzt, deren geschlechtliche Identität (wer sie in Bezug auf Geschlecht sind) und/oder sexuelle Orientierung (wen sie begehren oder wie sie lieben) nicht heterosexuell beziehungsweise nicht cisgeschlechtlich ist (vgl. etwa Krell 2021, S. 9). Wenn wir diesen Begriff nutzen, müssen wir uns klarmachen, dass der Begriff immer etwas Uneindeutiges hat und das in beabsichtigter Weise, denn:
„genau das soll Queer […] auch sein: eine positive Verschiebung von Bestehendem, indem scheinbar Selbstverständliches hinterfragt und die dahinterstehenden Systeme, Macht- und Herrschaftsstrukturen aufgezeigt, kritisiert und dekonstruiert werden“ (Brück 2023, S. 17).
Durch die Neuausrichtung des Begriffs ist dieser heute positiv besetzt, und wird oft als Sammelbegriff genutzt. Er dient als eine umfassende Bezeichnung für jene Menschen, die sich nicht in die heteronormative Mehrheitsgesellschaft einordnen (wollen), sondern sich zur queeren Community zugehörig fühlen. Neben der empowernden, praxisorientierten und aktivistischen Komponente, wird der Begriff „Queer“ auch für politische und theoretische Kämpfe genutzt: als Verb kann „to queer“ mit „jemanden irreführen“ und „etwas verpfuschen“ übersetzt werden. Die Übersetzung des Verbs passt gut zum Anliegen der queeren Community, bestehende Normen zu irritieren und dominante Macht- und Herrschaftsordnungen zu kritisieren und zu verändern. „Queer soll verstören, anstatt theoretische, methodische oder disziplinäre Sicherheiten zu schaffen“ (Degele 2008, S 11).
Es kann festgehalten werden, dass, auch wenn es keine einheitliche Definition gibt, der Begriff genutzt wird, um wieder und wieder mit neuen Inhalten und Komponenten gefüllt zu werden. Er ist also mehr als ein beweglicher Begriff zu fassen, der in diskursiven Aushandlungen und in Kämpfen gegen Heteronormativität Bedeutung dazugewinnt und unpassendes abstreift. Nachdem gerade der Begriff „Queer“ in seinen Bedeutungen vorgestellt wurde, richten wir nun den Fokus auf die Queer Studies, damit zuerst eine Wissensgrundlage geschaffen ist, um in Anschluss auf das Verknüpfen von Queersein und Berufsschulkontext kommen zu können.
„we´re here, we´re queer, get used to it“[1]
Wie im vorherigen Teil ausgeführt, braucht es für eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung auf personeller, institutioneller und struktureller Ebene auch ein spezifisches Wissen zu der Differenzlinie Queerness. Daher wollen wir im Folgenden einige Einblicke in die Theorie der Queer Studies bekommen.
Vor etwa drei Jahrzehnten (um 1990) entstanden die Queer Studies in den USA aus wissenschaftlichen, feministischen und gay/lesbian Studies sowie aus aktivistischen, rassismus- und identitätskritischen Kontexten heraus (vgl. Butler 1991, Laufenberg 2019, S. 331). Theresa de Lauretis führte sie 1991 in den akademischen Diskurs ein. In der Queer-Theorie geht es um die Infragestellung von binären Geschlechterkonstruktionen und damit um eine kritische Auseinandersetzung mit der Macht geschlechtlicher und sexueller Normen. Dieses Infragestellen passiert aus einer intersektionalen Perspektive heraus, und ist verbunden mit einer Kritik an Kapitalismus und (Neo)Kolonialismus (vgl. Laufenberg 2019, S. 332).
Die Queer-Theorie entstand in einer Zeit, in der konservative Ansichten zunahmen, die AIDS-Krise auftrat und der Sozialstaat, besonders in den USA, abgebaut wurde. Gleichzeitig wurde die traditionelle Kleinfamilie wieder idealisiert, und Rassismus wurde wieder sichtbar (vgl. ebd.). Queere Menschen machten und machen die Erfahrung, in bestehenden Bündnissen nicht mitgedacht zu werden. In der Frauenbewegung wurden Queer- und Transpersonen teilweise ausgeschlossen, Schwulen- und Lesbenbewegungen konzertierten sich oft auf einen assimilativen Ansatz, ohne die grundlegenden heteronormativen Strukturen zu hinterfragen. Intersektionale Perspektiven liefen Gefahr, übersehen zu werden. Dadruch wurden Probleme wie Ausbeutung, struktureller Rassismus, Armut und Gesundheitsprobleme, von denen marginalisierte queere Menschen stärker betroffen sind, nicht ausreichend wahrgenommen. Zum Beispiel wurden Aspekte, wie das Recht auf Ehe und Reproduktion für queere Menschen vernachlässigt, was die Gleichstellung in diesen Bereichen bis heute stark beeinträchtigt (vgl. ebd. S. 333, Brück 2023, S. 58). Intersektionalität in den Queer Studies wird nicht als ein „Effekt von Herrschaft“ (Laufenberg 2019, S. 334) betrachtet, sondern vielmehr als eine analytische Linse oder Perspektive. Diese Perspektive ermöglicht es, Machtverhältnisse auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu hinterfragen und die komplexe Verwobenheit verschiedener Differenzlinien sichtbar zu machen (vgl. Walgenbach 2012, S. 2). Durch die intersektionale Analyse werden nicht nur einzelne Identitätsmerkmale wie Geschlecht, Sexualität oder Ethnizität isoliert betrachtet, sondern es wird berücksichtigt, wie diese einander beeinflussen und miteinander verflochten sind (vgl. Crenshaw 2019, S. 14)[2]. Diese Herangehensweise trägt dazu bei, die Vielfalt und Komplexität von individuellen Erfahrungen und gesellschaftlichen Strukturen besser zu verstehen. Intersektionalität dient somit als Instrument, um überlappende Formen der Diskriminierung und Privilegierung zu erkennen und dagegen anzukämpfen. Intersektionalität wird in der Queer-Theorie als eine widerständige Praxis von Aneignung und Veränderung hegemonialer Diskurse verstanden. Erreicht wird dies durch die Sichtbarmachung hybrider, den normativen Annahmen widerlaufenden Identitäten wie queer und muslimisch, asiatisch und trans (Laufenberg 2019, S. 334). Durch die Erweiterung von Identitätsangeboten erweitern sich wechselseitig auch die gesellschaftlichen Verhältnisse (ebd.). Queer-Theorie ist somit immer auch Macht- und Herrschaftskritik.
Ging es in der Formierung der Queer-Theorie in den 80er Jahren noch viel um die Kritik bestehender Frauenbewegungen und Männer sowie gegen das Patriarchat als Ganzes, so wurden nach und nach „normalisierende Praxen und Glaubenssätze rund um Geschlecht, Sexualität und andere ‚Normalitäten‘ (wie etwa Weißsein oder Nichtbehinderung)“ (Degele 2008, S. 41) zu einem wichtigen Fixpunkt in der queeren Theorie.
„Was die Queer Studies damit nicht nur rekonstruieren, sondern auch systematisch aus den Angeln heben wollen, sind Naturalisierungen, und zwar in dem Sinn, dass Normalität zur Natur beziehungsweise Natürlichkeit erhoben wird. Das betrifft nicht nur Sexualität, sondern etwa auch Rasse und (Nicht)Behinderung“ (ebd. S.51).
In den deutschen Diskurs kam die Queer-Theorie besonders über Judith Butlers Buch „Gender Trouble“ und „Körper von Gewicht“ und über ihr darin beschriebenes Konzept der „heterosexuellen Matrix“[3]. Butler macht sich besonders stark für die Durchlässigkeit und Uneindeutigkeit des Konzepts Queerness und gegen feste identitätspolitische Bestrebungen (Hark, 2005, S. 290).
[1] Slogan der LGBTQIA+-Aktivistenorganisation Queer Nation.
[2] Näheres hierzu Lerneinheit 3: Intersektionalität
[3] Näheres hierzu siehe Lerneinheit 12: Gender.
„Das ist ja auch so eine Dethematisierung, eigentlich. So dass es nicht in den Schulen beigebracht wird, dass es queere Menschen gibt“ (Gruppendiskussion Chris in Brück 2023, S. 157).
In der (Berufs-)Schule bleibt jungen Menschen meist wenig Zeit, sich mit ihren eigenen Wünschen auseinanderzusetzen, zu experimentieren oder spielerisch ihren Horizont zu erweitern. Ihr Handlungsspielraum orientiert sich stark an den gesellschaftlichen und arbeitsmarktlichen Anforderungen und Normen (vgl. Brück 2023, S. 31). Queere junge Menschen werden durch die starren Normen oft in die Rolle gedrängt, sich erklären zu müssen, auch gegenüber sich selbst. Einerseits steigt das Bewusstsein für queere Lebenskonzepte, andererseits hat auch die Diskriminierung zugenommen (ebd. S. 33).
In der Berufsschule, so zeigen Studien (Brück 2023, Krell 2021), werden queere Lebensrealitäten zu wenig thematisiert. Das reicht von fehlenden queer-spezifischen Unterrichtsinhalten über fehlende Leitbilder und Regeln bis hin zum Mangel an sichtbaren Symbolen. Wie folgender Interviewauszug mit Claudia Krell zeigt, liegt die Verantwortung für Veränderungs- und Öffnungsprozesse nicht bei den queeren Jugendlichen, sondern in der Gesellschaft und der Intuition:
„Stuzubi[1]: Haben Sie für queere, trans* und intergeschlechtlichee Schüler*innen ein paar Tipps zur Berufs- und Studienwahl?
Claudia Krell: Sie sollen sich auf jeden Fall was suchen, was ihnen Spaß macht, wie die anderen auch, und etwas, wo sie sich sicher fühlen. Eigentlich sehe ich es aber eher andersrum, Schulen, Unis und Ausbildungsbetriebe brauchen Tipps, um besser mit queeren, trans* und nicht-binären Bewerber*innen umzugehen. Die Verantwortung liegt bei uns als Gesellschaft, dass queere Menschen sich sicher und wohl fühlen“ (Krell 2023, online).
Queerfeindlichkeit zeigt sich nicht nur im Nichthandeln, sondern auch in der alltäglichen Interaktion zwischen Schüler*innen, Lehrpersonen und weiteren Akteur*innen an Berufsschulen. Geschlechtliche und sexuelle Diversität tauchen oftmals lediglich in Form von Schimpfwörtern auf (Krell 2023, online). (Fehlende) Differenzreflexivität zeigt sich auch über Sprache. Wie bei anderen Differenzlinien wie class, race oder disability geht es um ein Umlernen gewaltvoller Sprechweisen und eine Veränderung dahinterliegender Annahmen über Queerness.
[1] STUZUBI bietet Berufsorientierung und Messen rund um Ausbildung, Studium und Auslandszeit an. Das Zitat stammt aus einem Interview, mit Krell, welches auf ihrer Homepage veröffentlicht wurde: https://stuzubi.de/ratgeber/queer-in-schule-ausbildung-und-studium/ .
Im Jahr 2020 wurden 140 000 lesbische, schwule, bi, queere, trans, inter, und agender Personen (LGBTQIA+) durch die EU Grundrechteagentur FRA u.a. nach ihren Erfahrungen in der Schule befragt. 77 % gaben an, dass in der Schule keine queere Bildung stattgefunden hat. 48 % gaben an, in ihrer Schulzeit diskriminiert worden zu sein (Beleidigungen, Bedrohungen etc.). 46 % halten fest, in ihrer Schulzeit keine Solidarität seitens der Mitschüler*innen und/oder ihrer Lehrpersonen erfahren zu haben (vgl. LSVD 2020). In weiteren Beiträgen und Studien (Brück, 2023, Krell & Oldenmeier, 2015, Krell 2021) konnte ebenso festgestellt werden, dass queere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Schule und im Ausbildungssystem mit Diskriminierung auf interpersoneller, institutioneller und struktureller Ebene zu tun haben. Es bestehen bestimmte normative Erwartungen und Forderungen, in denen sich queere Menschen nicht wiederfinden können. Eine für den Berufsschulkontext relevante Studie ist die DJI-Studie „Erfahrungen von lesbisch, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen in der beruflichen Bildung“ (vgl. Krell 2021). Diese untersucht Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Orientierung junger Menschen innerhalb der Berufsschule und der Ausbildungsbetriebe. Hier wird sichtbar, dass trans- und gender*diverse Jugendliche sich in besonderer Weise mit dem in der Gesellschaft als „normal“ und „naturgegebenen“ binären Geschlechtersystem konfrontiert sehen. Es fehlt in der Gesellschaft und damit auch in den Berufsschulen an Wissen und Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt. Hinzu kommen komplizierte, zeitaufwendige und kostenintensive Verfahren für Personenstands- und Namensänderungen, als auch massive Hindernisse für medizinische Behandlungen (vgl. Krell 2023, S. 64). Queere Jugendliche erleben sich auch in Berufsschulen in einem
„Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen und institutionellen Erwartungshaltungen und Forderungen, die normativ geprägt sind, und den eigenen individuellen Wünschen und Bedürfnissen hinsichtlich eines zu gestaltenden queeren Lebensentwurfs widersprechen“ (Brück 2023, S.3).
Queere Jugendliche erleben (Berufs)schule oftmals als einen unsicheren – wie oben bereits näher erklärt – heteronormativ ausgerichteten Raum. Dies kann weitreichende Folgen haben wie: Gesundheitsprobleme, Fehltage, schlechtere Noten, Schulabbrüchen oder Depressionen (vgl. Klenk 2019, S. 59). In diesem Zusammenhang wurde immer wieder auf die Professionalisierungsbedarfe seitens der Lehrpersonen aufmerksam gemacht (vgl. ebd.). Da diese zu wenig (Kontext)Wissen über queere Lebensweisen haben und Unsicherheiten in der Unterstützung queere Schüler*innen zeigen. Die Lerneinheit versucht hier anzusetzen, indem Möglichkeiten der Wissenserweiterung eröffnet werden und ein Ausbau der eigenen professionellen Rolle im Umgang mit queeren Schüler*innen ermöglicht wird. Neben dem Kontextwissen braucht es Geier und Mecheril (2021, S. 233) folgend immer auch eine weitreichende Anerkennung von Pluralität. Das ist so zu verstehen, dass in der Berufsschule nicht nur Zugeständnisse an queere Personen gemacht werden, sondern die „Unterschiedlichkeiten der Einzelnen geachtet und ihre je spezifische Handlungsfähigkeit berücksichtigt werden“ (ebd.). Handlungsfähigkeit meint in diesem Sinne immer, „dass die spezifischen, nur im Rahmen der je eigenen Geschichte und Biographie verstehbaren Fähigkeiten, Empfindsamkeiten, Dispositionen und Vermögen von Einzelnen angesprochen und zur Geltung gebracht werden“ (ebd.). Es geht also darum, (queeren) Jugendlichen in der Berufsschule Raum zu geben und sie in ihren unterschiedlichen Lebenslagen ausgehend zu unterstützen (Brück 2023, S. 6). Darüber hinaus braucht es Fachwissen. Etwa durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Differenzverhältnissen, um damit schrittweise eine Anerkennung von Diversität zu ermöglichen. Ein Nachdenken über konkrete Umsetzungsmöglichkeiten dieser Ansätze findet am Ende der Lerneinheit statt. Hier werden Handlungsoptionen besprochen, die diesen Prozess unterstützen, da sie sich konkret auf die pädagogische Praxis beziehen und zur Umsetzung im eigenen Klassenraum ermutigen.
„Wir haben Namensschilder bekommen, und da war zum Beispiel, stand noch mein alter Name drauf, und dann hat die Lehrerin, ist dann hergekommen, hat gesagt `Nee, das geht gar nicht´, hat es in den Müll geworfen und direkt ein neues bestellt in meinem richtigen Namen dann. Und da war ich auch so `Wow! Ich bekomme wirklich Unterstützung, ohne dass ich auch was sagen muss, dass die Leute das jetzt halt wissen´ – und direkt es auch umsetzen, ohne jetzt nochmal zu mir zu kommen `Ist das ok, ob da der alte Name steht? ´. Also, die denken halt so gleich mit und ändern alles ab.“ (Valentin Interviewauszug in Krell 2021, S. 43)
Der*die Schüler*in berichtet, ein Namensschild mit einem alten Namen erhalten zu haben, aber die Lehrer*in erkannte sofort, dass dies nicht akzeptabel war. Ohne dass der*die Schüler*in etwas sagen musste, war die Lehrerin proaktiv und warf das Namensschild weg, um ein neues, mit richtigen Namen zu bestellen. Das Beispiel zeigt, dass Lehrkräfte durch eine diskriminierungssensible und aufgeklärte Haltung auch durch klein wirkende Handlungen, wie im Beispiel erklärt, dafür sorgen können, Berufsschule als Ort mitzugestalten, an dem sich viele Menschen willkommen fühlen können. Wichtig ist zu verstehen, dass es hierbei nicht um das Lösen individueller „Probleme“ gehen kann. Dies wäre eine sehr oberflächliche und wenig nachhaltige Herangehensweise. Es müssen die Strukturen in den Blick genommen werden, welche diese gewaltvollen Erfahrungen junger Queers ermöglichen (vgl. Krell 2021, S. 43). Folgende Beispiele zeigen, an welchen Stellen die Strukturen der Berufsschule zur Ausgrenzung von queeren Menschen beitragen:
- Fehlende Aufklärung im Lehrplan:
- Wenn der Lehrplan keine Aufklärung über verschiedene sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten vorsieht, bleibt ein Bildungsvakuum bestehen, das zu Ignoranz und Vorurteilen führen kann.
- Mangelnde Sichtbarkeit von LGBTQ+-Themen:
- Fehlende Sichtbarkeit von LGBTQ+-Themen in Schulmaterialien, Büchern und anderen Ressourcen trägt dazu bei, dass queere Lebenserfahrungen ignoriert oder als unwichtig betrachtet werden.
- Geschlechtergetrennte Regeln und Aktivitäten:
- Wenn Schulen strikte geschlechtsspezifische Regeln für Aktivitäten und Verhalten aufrechterhalten, kann dies queere Schüler*innen davon abhalten, sich frei auszudrücken.
- Heteronormative Lehrmaterialien:
- Lehrmaterialien, die heteronormative Vorstellungen verstärken, können das Gefühl vermitteln, dass queere Beziehungen und Identitäten nicht als normal oder akzeptabel angesehen werden.
- Keine geschlechtsneutralen Einrichtungen:
- Das Fehlen geschlechtsneutraler Toiletten oder Umkleideräume kann für nicht-binäre oder transgender Schüler*innen zu unangenehmen oder sogar unsicheren Situationen führen.
- Mangelnde Sensibilität bei Sport- und Geschlechtsunterricht:
- Wenn Lehrpläne und Lehrkräfte nicht sensibel für die unterschiedlichen Be-dürfnisse von queeren Schüler*innen im Sport- oder Geschlechtsunterricht sind, kann dies zu unangemessenen Situationen führen.
Lehrkräfte, die nicht ausreichend aufgeklärt sind über LGBTQ+-Themen, könnten Schwierigkeiten haben, angemessen auf Bedürfnisse von queeren Schüler*innen einzugehen und ein unterstützendes Umfeld zu schaffen. Daher ist es ein Teil der Professionalisierung, sich mit eigenen Vorurteilen und Wissenslücken zu befassen und sich im Sinne der Kompetenzlosigkeitskompetenz (Mecheril 2013), von dem Bild der allwissenden Lehrkraft zu verabschieden. Denn ein echtes Um- und Neulernen kann nur gelingen, wenn sich Lehrer*innen in ihrem Selbstverständnis irritieren lassen[1]. Darüber hinaus braucht es ebenso auf der Ebene der Prävention, der Intervention in diskriminierenden Situationen und in der Begleitung von queeren Jugendlichen proaktiv intersektionale Handlungsstrategien (vgl. Klenk 2019, S. 50-60).
Die Schaffung einer diskriminierungssensiblen Umgebung im Zuge von institutionellen Öffnungsprozessen in der Berufsschule und den Ausbildungsbetrieben, wie in den sechs Punkten über Veränderungen der berufsschuleigenen Strukturen eben bereits angedacht, kann niemals nur durch die Lehrkräfte allein geleistet werden. Es ist eine Aufgabe die die Berufsschule als gesamt Organisation und Institution angehen muss.
Ein wichtiger Punkt ist die Errichtung und der Ausbau kompetent besetzter Beschwerdestellen. Denn oft sind Lehrkräfte, Rektor*innen und weiteres Personal zu Themen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Zugehörigkeit nicht ausreichend geschult oder es vermischen sich zu viele Aufgabenbereiche, was eine solidarische Unterstützung behindern kann (vgl. Krell 2021, S. 60).
Am Ende der hier bereits mehrfach zitierten DJI Studie von Claudia Krell „Erfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen in der beruflichen Bildung“ (2021) leitet die Autorin in Zusammenarbeit mit weiteren Expert*innen Handlungsbedarfe ab, welche als Anregungen für eine Verbesserung der Situation queerer junger Menschen in der Berufsschule genutzt werden können. Im Folgenden werden wesentliche Punkte im Sinne einer institutionellen Öffnung überblicksartig zusammengefasst (vgl. ebd. S. 66-70). Für eine vertiefte Auseinandersetzung empfiehlt sich die Lektüre der Studie.
- Wissen vermitteln – Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als Unterrichtsthema:
- Integration von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Lehrplan als eigenständiges Unterrichtsthema oder als Bestandteil verschiedener Fächer.
- Projekte und Aktivitäten, die das Verständnis für verschiedene sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten fördern.
- Integration von Schulungen zur sexuellen Vielfalt in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften.
- Institutionelle Verankerung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt:
- Erstellung von Leitlinien und Konzepten, die intersektionale Diskriminierungssituationen erschweren und klare Regularien für den Umgang mit solchen Situationen festlegen.
- Einbeziehung von Mitarbeitern*innen bei der Erarbeitung der Leitlinien, um eine breite Akzeptanz und Umsetzung sicherzustellen.
- Benennung von Ansprechpersonen:
- Festlegung von kontinuierlich ansprechbaren Vertrauenspersonen auf Mitarbeiter*innen- und Schüler*innenebene, um eine sichere Anlaufstelle für Probleme im Zusammenhang mit sexueller oder geschlechtlicher Vielfalt zu bieten.
- Schaffung geschützter Räume für Gespräche und Unterstützung.
- Gendersensibler Sprachgebrauch:
- Sensibilisierung für die Verwendung gendersensibler Sprache in der gesamten schulischen Kommunikation.
- Integration von Schulungen zur gendersensiblen Sprache in die Lehrer*innenfortbildung.
- Umgang mit diskriminierenden Ereignissen:
- Eingreifen und ansprechen
- Klare Protokolle und Maßnahmen für den Umgang mit diskriminierenden Ereignissen, die von Lehrkräften, Mitarbeiter*innen oder Schüler*innen gemeldet werden.
- Schulungen für Lehrkräfte, um diskriminierende Verhaltensweisen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.
- Anlaufstellen bekannt machen:
- Öffentliche Bereitstellung von Informationen über Anlaufstellen, die bei diskriminierenden Vorfällen kontaktiert werden können.
- Integration von Anti-Diskriminierungsorganisationen oder -initiativen in Schulveranstaltungen, um Schüler*innen über ihre Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren.
- Eingreifen und ansprechen
Die angeführten Punkte verdeutlichen, dass es an Berufsschulen notwendig ist, tiefgreifende strukturelle Veränderungen vorzunehmen, um eine inklusive und unterstützende Umgebung für queere Menschen zu schaffen. Dies erfordert nicht nur die Integration von Wissen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in den Lehrplan, sondern auch die institutionelle Verankerung von klaren Leitlinien, die Diskriminierung erschweren und den Umgang mit Vorfällen regeln. Die Benennung von Ansprechpersonen, die Förderung eines gendersensiblen Sprachgebrauchs und Maßnahmen zum konsequenten Eingreifen bei diskriminierenden Ereignissen sind weitere wesentliche Schritte, um ein inklusives Lernumfeld zu gewährleisten. Wir müssen auf alle Fälle bedenken, dass die Verantwortung für die Schaffung einer inklusiven Umgebung für queere Menschen nicht allein auf den Schultern der Lehrkräfte lasten darf. Die gesamte Schule und die breitere Gesellschaft tragen eine gemeinsame Verantwortung für diesen wichtigen Prozess. Die strukturellen Veränderungen erfordern ein kollektives Engagement, bei dem alle Mitglieder der Schulgemeinschaft, einschließlich Schüler*innen, Lehrkräfte, Verwaltung, Eltern, Sorgeberechtigte und lokale Akteur*innen, zusammenarbeiten müssen. Es bedarf eines kulturellen Wandels, bei dem Vielfalt und Inklusion als gemeinsame Werte anerkannt und aktiv gefördert werden. Insgesamt sollten wir Berufsschule als Teil eines umfassenderen gesellschaftlichen Kontextes betrachten, in dem die Bemühungen um Inklusion und Gleichberechtigung auf verschiedenen Ebenen gemeinsam getragen werden müssen.
[1] Diese Thematik wird in der Lerneinheit 17: Involvierte Professionalisierung genau ausgeführt und lädt zur Reflexion der eigenen Lehrer*innenrolle ein.
Fallen Ihnen eigene Beispiele und Situationen in Klassenräumen ein, wo ‚Heterosexualität‘ zum Thema wurde? Dies kann der Biologieunterricht sein, aber auch Situationen im Unterrichtsalltag. Wenn ja, beschreiben Sie diese in ein paar Stichpunkten.
Lesen Sie das Ende der benannte DJI Studie von Claudia Krell „ Erfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen in der beruflichen Bildung“ (2021, S. 66-70). Fassen Sie die Handlungsoptionen zusammen und beschreiben Sie damit einhergehende konkrete Verbesserungen auf folgenden Ebenen
- Individuell für einzelne queere Schüler*innen
- Strukturell, die Gesamtorganisation Berufsschule betreffend
Hier der Link zur Studie:
https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2021/30013_DJI_Krell_Erfahrungen_von_LSBTQ_Jugendlichen_in_der_beruflichen_Bildung.pdf
Überlegen Sie, welche möglichen Hindernisse institutionelle Öffnungsprozesse im Hinblick auf queere Lebensrealitäten erschweren könnten. Erläutern Sie, in welcher Weise die genannten Hindernisse Öffnungsprozesse verhindern und skizzieren Sie anschließend mögliche Strategien im Umgang mit diesen Hindernissen.
Folgende aufgelistete Hindernisse können Ihnen den Einstieg in die Aufgabe erleichtern. Gerne nutzen Sie aber ihre eigenen Recherchen und Ideen.
- Widerstand und Vorurteile
- Einige Mitglieder der Schulgemeinschaft könnten Vorurteile gegenüber queeren Lebensrealitäten haben, was Widerstand gegen Veränderungen und eine inklusivere Umgebung hervorrufen könnte.
- Fehlende Sensibilisierung
- Angst vor Unsicherheit oder Konflikten
- Fehlende Ressourcen
- Brück, Jasmin (2023). Junge queer Menschen im Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf. Eine qualitativ-rekonstruktive Studie zu (un)doing queer im beruflichen Ausbildungssystem. Wiesbaden: Springer.
- Butler, Judith (1991). Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Degele, N. (2008). Gender/Queer Studies: Eine Einführung. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag.
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- Walgenbach, Katharina (2012). Intersektionalität – eine Einführung. online: www.portal-intersektionalität.de. (letzter Zugriff: 21.05.2023).
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Titel | Inhalt | link |
Pädagogik geschlechtlicher, amouröser und sexueller Vielfalt: Zwischen Sensibilisierung und Empowerment | Zugang zu Bildung für lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, inter- geschlechtlichen, queeren, asexuellen und pansexuellen (lsbtiqap+) Jugendlichen | |
Anders & Gleich | Übersicht über Angebote, Netzwerke und Materialien | https://www.aug.nrw/materialien/download-links/schule-bildung/ |
Qualitätsstandards | Bunderverband der Projekte, Träger Initiativen zu sexueller, romantischer und geschlechtlicher Vielfalt | https://queere-bildung.de/wp-content/uploads/2021/11/Qualitaetsstandards_Queere-Bildung-2021_Web.pdf |
Website des Vereins | Hier stellen wir den Verein Gender /Queer e.V. vor. | |
PER – Einführungen in die Queer-Theorie /// BODIES – Introductions to Queer Theory | https://www.youtube.com/watch?v=3SJUYHSzv8M | |
What is Queer Theory? | A panel exploring how queer theory is shaping our lives and relationships, intersections of race, gender and sexuality, and much more. | https://www.youtube.com/watch?v=ZbPV9uWH0Co |
Podcast Queerkram | Über Queer ab =.15 Min. | |
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