Modul 11 |
Sexismus/Gender
Sexismus/Gender
Zum Thema Gender finden Sie in dieser Lerneinheit einen einführenden Text in die Thematik. Beispiele aus der Praxis und ein selbst erhobenes Fallbeispiel aus einer Pflegeschule werden mit gendertheoretischen Ansätzen verknüpft.
In diesem Modul lernen Sie, das Fallbeispiel entlang der Differenzlinie Geschlecht theoretisch zu verorten und dadurch alltägliche Situationen im Unterricht zu differenzieren und zu verstehen. Gleichzeitig schärfen Sie so Ihren pädagogischen Blick für Ausschlüsse und Diskriminierung, die durch die dichotome Geschlechterordnung entstehen.
- Fallbeispiel
- Theorie
- Aufgaben & Reflexion
- Weiterführendes Material
In dieser Lerneinheit beginnen wir mit einem Fallbeispiel. Dieses ereignete sich in einer berufsbildenden Klasse an einer Pflegeschule und kommt so ähnlich alltäglich in fast jedem Klassenraum mit erwachsenen Schüler:innen vor:
„Steigen wir doch heute gerne mit einem Beispiel aus der Praxis ein, um dann wieder den Bogen zurückzuschlagen zu unserem Stoff: Herr Rothe, was haben Sie uns heute für ein Beispiel aus der Praxis mitgebracht? Und Frau Baumgartner, wie haben Sie Ihre ersten Tage in der Seniorenresidenz erlebt? Erzählen Sie uns doch gerne kurz.“
Die Selbstverständlichkeit, mit der die Schüler:innen hier mit den Bezeichnungen „Frau“ und „Herr“ angesprochen werden, mag nicht verwundern, ist jedoch genauer zu hinterfragen. Um die Problematik dieser Eingangsszene und so auch die Notwendigkeit eines gendersensiblen pädagogischen Umgangs in der Schule zu verstehen, nützt gendertheoretisches Wissen. Die folgend eingeführten Grundbegriffe ermöglichen Lehrpersonen und so auch Schüler:innen, sich selbst und das eigene Denken und Handeln im Umgang mit Geschlecht (selbst-)kritisch zu reflektieren. Mit diesem theoretischen Wissen können Lehrpersonen Formen der Verkennung, Abwertung und des Ausschlusses wie auch Verstärkungen von Stereotypisierungen im Unterricht erkennen und dazu beitragen, Diskriminierungen durch Empowerment stärkende Handlungsweisen zu ersetzen.
Ziel dieser Lerneinheit ist es, nicht nur diskriminierende Zuschreibungsprozesse zu erkennen, sondern auch einen gendersensiblen Blick dafür zu entwickeln, wie sich Jugendliche und (junge) Erwachsene vor dem Hintergrund gegenwärtiger Normalitätsdiskurse geschlechtlich verorten und wie sie hier in Aushandlung gehen. Lehrpersonen werden auf Schüler:innen treffen, die sich nicht in der zweigeschlechtlichen Logik verorten oder die von außen widersprüchlich erscheinende und fluide Identitäten für sich entdecken und leben. Sie werden auch Schüler:innen antreffen, die sich zwar in der zweigeschlechtlichen (binären) Logik verorten können, jedoch mit gesellschaftlichen Rollenerwartungen ringen. Diese Lerneinheit stärkt Lehrpersonen darin, einen von geschlechtertheoretischen Reflexionen geprägten Blick zu entwickeln und erste Handlungsansätze kennenzulernen, welche zu einem Abbau von genderspezifischen Diskriminierungen führen können. Auch wenn Lehrpersonen nicht allein die Verantwortung für Diskriminierungen in Schulen tragen, können sie dennoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beitragen, dass Schule ein wacher und ermöglichender Raum für gesellschaftliche Veränderungen in Bezug auf Gender wird.
Die Ansprache der Lehrperson mit „Frau“ und „Herr“ ist genauso selbstverständlich, wie sie gleichzeitig auch problematisch sein kann (nicht muss) – in der Schule und darüber hinaus. So unscheinbar sie auch wirken mag, so sehr hat sie auch eine geschlechternormierende Wirkung, die sich über Jahrhunderte hin entwickelt und sich in unser Denken und Handeln eingeschrieben hat. Diese Ansprache vermittelt, dass es zwei Geschlechter gäbe, dass die angesprochene Person eines dieser Geschlechter hat und dass dieses Geschlecht am äußeren Erscheinungsbild erkennbar wäre. Dass diese Annahmen von einigen Zuschreibungen geprägt sind, verdeutlichen zahlreiche feministische Diskurse, die in Deutschland spätestens seit den 1970er- und 1980er-Jahrenbu. a. Geschlechterbinarität oder -rollen in Frage stellen (vgl. Villa, 2006). Möglicherweise passt die Ansprache für Herrn Rothe und Frau Baumgartner. Sie identifizieren sich mit der Ansprache und fühlen sich wohl. Falls sie sich jedoch nicht so ‚eindeutig‘ zuordnen können oder zuordnen lassen können, braucht es auch dafür Räume, in denen sie dieses Anliegen hörbar machen können.
Um dies nachvollziehbar zu machen, ist der Begriff der ‚heterosexuellen Matrix‘ ein interessantes Tool. Er ist von Judith Butler (1991) in dem Text „Das Unbehagen der Geschlechter“ entwickelt worden, um Geschlechterverhältnisse zu analysieren und vielfältige Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierungen sichtbar zu machen. Diese Auseinandersetzungen führten zunehmend auch in den Erziehungswissenschaften sowie in der pädagogischen Arbeit zu lebendigen Diskussionen und zur Etablierung wichtiger Begriffe (vgl. Engel, 2022; Hartmann, 2002). Die eben genannten Begriffe werden nun im Folgenden konkretisiert und auf den Kontext Berufsschule angewendet.
Die heterosexuelle Matrix beschreibt die normierende Annahme, es gäbe zwei gegensätzliche Geschlechter, diese seien sexuell aufeinander bezogen und von Geburt bis zum Tod gleichbleibend (vgl. Butler, 1991, S. 37 f.). Feministische und queere Theoriebildungen kritisieren diese Vorstellungen einer binären Geschlechtereinteilung und unterstützen die Sichtbarkeit von Geschlechtervielfalt. In der Berufsschule werden die normierenden Wirkungen von Geschlecht u. a. in der Berufswahl deutlich und in den diskriminierenden, geschlechtsbezogenen Zuschreibungen, die beispielsweise männliche Erzieher, weibliche Kfz-Mechanikerinnen oder non-binäre Metallbauer:innen erfahren.
Die Norm diskriminierender, gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse, welche mit der heterosexuellen Matrix gezeigt werden können, beschreibt der Begriff „Heteronormativität“. Diese Norm nimmt an, dass Heterosexualität die einzige, natürliche und legitime Sexualität sei und daraus hervorgehende Geschlechterrollen ebenso natürlich und legitim seien. Der Begriff erweist sich für eine Kritik und Analyse binärer Geschlechtervorstellungen als besonders konstruktiv und analysiert nicht nur die Verflechtung von Heterosexualität und Geschlechternormen, sondern auch, wie diese mit Macht-, Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnissen verwoben sind (vgl. Kleiner, 2016).
Um die Binarität, Eindeutigkeit und Zwangsläufigkeit von Geschlecht zu dekonstruieren, gewinnt die Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht (sex) und sozialem Geschlecht (gender) an Bedeutung. Dieser konstruktivistische Ansatz distanziert sich von der Annahme, dass das soziale Geschlecht zwangsläufig aus dem biologischen folge und zeigt auf, dass das Verständnis von Geschlecht und Geschlechterdifferenzen unter gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen geprägt und gebildet wird (vgl. Maihofer & Baumgarten, 2015). Eine gesellschaftlich-kulturelle Beschaffenheit in heteronormativen Gesellschaftssystemen zeichnet sich gegenwärtig durch die Hierarchisierung „beider“ Geschlechter aus, mit der Männlichkeit als Normalvorstellung priorisiert wird und Weiblichkeit und weitere Geschlechter abgewertet werden. Die Abweichung von dem, was als normal angesehen wird [1], bringt zwangsläufig Ausschlüsse und Marginalisierungen mit sich. Dabei macht es einen Unterschied, wie stark die „Abweichung“ von der „Normalität“ gelebt und erkennbar wird. Es beeinflusst also die Lebenschancen, ob sich Menschen beispielsweise als cis [2]- Mann oder cis-Frau verstehen oder ob sie trans- oder intergeschlechtlich sind. Dies hat einen Einfluss darauf, welche gesellschaftlichen Zugänge ihnen offenstehen und welche nicht. Dies können auch so grundlegende Dinge wie die oft diskutierten Toiletten sein, die für trans oder inter Menschen wiederholt Orte der Gefährdung und Diskriminierung werden können – entweder weil gendersensible oder Unisex-Toiletten nicht zur Verfügung stehen oder weil binär organisierte Toiletten Räume der Anfeindungen und Übergriffe gegenüber trans und inter Personen werden können. Neben Geschlechtlichkeit gewinnt auch die sexuelle Orientierung an Bedeutung. Heterosexualität erfährt in heteronormativen Systemen Anerkennung, während Queerness [3] tendenziell abgewertet und benachteiligt wird [4]. Dabei ist die Differenzlinie Geschlecht wie jede andere Differenzlinie auch stets mit weiteren Differenzlinien verwoben, was zu Mehrfachdiskriminierungen führen kann (Crenshaw, 2019b).
Nun bot diese Lerneinheit bereits einige Beispiele, wie Geschlecht im sozialen Miteinander hergestellt und reproduziert wird. Geschlechterspezifische Berufswahlen, Ansprachen oder Toilettenoptionen können mit verschiedenen Ansätzen in ihren normierenden und Geschlechterrollen stabilisierenden Wirkungen theoretisch reflektiert werden. Judith Butler beschreibt in einer dekonstruktiven Herangehensweise das „Geschlechtlich-Werden“ (gendering) (Butler, 1997, S. 29) als „Zum-Vorschein-Kommen“ (ebd. S. 29) des Menschen im Kontext der Matrix geschlechterspezifischer Beziehungen. Diesem „Zum-Vorschein-Kommen“ geht jedoch eine Anrufung voraus. Diese geschehe bereits als Fötus. Bevor ein Kind also das Licht der Welt erblickt, wird ihm schon ein Geschlecht zugeschrieben – und nach diesem wird es folgend behandelt.
„Und in der Tat, mit der ärztlichen Interpellation (Anrufung) (ungeachtet der in den letzten Jahren aufgekommenen Ultraschallaufnahme) wechselt das Kind von einem
‚es‘ zu einer ‚sie‘ oder einem ‚er‘; und mit dieser Benennung wird das Mädchen mädchenhaft gemacht“ (ebd.). Mit diesem Prozess des Geschlecht-Werdens wird eine Person gegenwärtig (noch) zu einem Mädchen oder einem Jungen gemacht und auf eine bestimmte soziale Position verwiesen, von der aus sie oder er zukünftig spricht und handelt – also zum Vorschein kommt:
„Damit aber endet das ‚Zum-Mädchen-Machen‘ des Mädchens noch nicht, sondern jene begründende Anrufung wird von den verschiedensten Autoritäten und über diverse Zeitabschnitte hinweg immer auf neue wiederholt, um die naturalisierende Wirkung zu verstärken oder anzufechten. Das Benennen setzt zugleich eine Grenze und wiederholt einschärfend eine Norm.“ (ebd.).
Diese Prozesse spielen sich auch in der Berufsschule ab, indem bestimmte Formen der Geschlechterrollen als legitim anerkannt und entsprechend honoriert werden und andere nicht. Mit interaktionistischen Ansätzen lässt sich dieser Prozess des „Zum- Mädchen-Machens“ als „doing gender“ verstehen. Candace West und Don Zimmermann (West & Zimmermann, 1987) fokussieren Interaktionen und das soziale Miteinander, wenn sie die Herstellung von Geschlecht untersuchen. Darauf aufbauend haben sie den Begriff doing gender eingeführt und betonen die Perspektive, dass Geschlecht in zwischenmenschlichen Handlungen hergestellt wird. Geschlecht wird auch in diesem Ansatz nicht als biologisch interpretiert. Während dekonstruktive Ansätze Geschlechter insbesondere als fließend und über binäre Grenzen hinausgehend verstehen, stellen Ansätze des doing gender vor allem die alltäglichen, sozialen Herstellungspraktiken ins Zentrum. Beide Ansätze sehen Geschlecht als sozial konstruiert. An Handlungen in diesem Herstellungsprozess sind diejenigen, die ihr Geschlecht darstellen, und diejenigen, die es anerkennen oder auch verkennen – also grundsätzlich erst mal alle Menschen. Doing gender ist hierbei ein wechselseitiger (Re-)Konstruktionsprozess, durch den Geschlechterzugehörigkeiten und -verhältnisse hergestellt und normalisiert werden. Neben dekonstruktiven und doing-gender-Ansätzen helfen Herangehensweisen, die Geschlecht als Sozialisationsprozess verstehen. Im Anschluss an Simone de Beauvoirs Worte „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Beauvoir, 2005, S. 9) erläutern Andrea Maihofer und Diana Baumgarten (2015), dass der Prozess zur „Frau“ oder zum „Mann“ werden vor allem ein gesellschaftlich-kultureller Prozess ist, also (auch) als ein Sozialisationsprozess verstanden werden muss, der unter anderem „den Körper, die Psyche, die Denk-, Gefühls- und Handlungsweisen umfasst“ (Maihofer & Baumgarten, 2015, S. 631). Mit einem Verständnis, das anerkennt, dass Geschlecht auf die Art und Weise einwirkt, wie wir (unsere und andere) Geschlechter fühlen, wahrnehmen, denken, darstellen und aushandeln und wie ebendiese Aspekte unser körperliches und psychisches Erleben formen (Ahmed, 2018), kann nachvollziehbar werden, warum sich Geschlechtergerechtigkeit so zählebig entwickelt. Körper, Psyche und Wahrnehmungen lassen sich nicht von heute auf morgen ändern. Veränderung benötigt Zeit. Inzwischen gehen Sozialisationstheorien davon aus, dass sich Sozialisationsprozesse ein Leben lang vollziehen und nicht – wie lange angenommen – mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen sind (vgl. Maihofer & Baumgarten, 2015, S. 632). Der sozialisationstheoretische Ansatz von Maihofer geht auf Einsichten aus den Queer Studies zurück, wie sie vor allem durch Judith Butler (1991) in den 1990er-Jahren entwickelt wurden und dann für den deutschsprachigen Kontext (u. a. Hark, 1996; Engel, 2022; Maihofer & Baumgarten, 2015) fruchtbar gemacht werden konnten.
Diese verschiedenen Perspektiven ermöglichen, geschlechterspezifische Kategorisierungen zu hinterfragen und dazu beizutragen, dass die Vorstellungen einer binären Geschlechterordnung erweitert und geöffnet werden. Alle drei Herangehensweisen verdeutlichen, dass gesellschaftliche Verhältnisse, Lebenslagen und Handlungsweisen auf eine bestimmte Art und Weise Geschlecht erzeugen und Geschlecht keinem einmaligen Akt zuzuschreiben ist. Stattdessen vollzieht sich die Herstellung von Geschlecht immer und immer wieder in unserem Alltag und unserem sozialen Miteinander. Wenn sich (Berufsschul-)Lehrpersonen vor Augen führen, dass Geschlecht gegenwärtig stark entlang einer diskriminierenden heterosexuellen Matrix organisiert ist und durch zwischenmenschliche Interaktionen reproduziert, aber auch transformiert werden kann, können sie einen wichtigen Beitrag leisten, um Schüler:innen unabhängig von ihrer geschlechtlichen Zugehörigkeit in der Ausübung ihres zukünftigen Berufs zu unterstützen. Indem sie Geschlecht veruneindeutigen und bisherige Deutungsmuster hinterfragen und umschreiben, schaffen sie neue Räume, Geschlecht zu entdecken und zu leben. Auf diese Weise würdigen sie nicht nur verschiedene soziale Geschlechter, sondern unterziehen auch normative Rollenerwartungen einer Kritik, wodurch sie Schüler:innen darin begleiten, einen sensiblen, feinfühligen Umgang mit Geschlecht zu entwickeln und ihre eigene Geschlechtsidentität zu stärken.
Fußnoten
[1] Vertiefungen des Begriffs und zum Verständnis von Normalisierungsprozessen sind in der Lerneinheit „Neo/linguizismus“ zu finden.
[2] Cis steht für die Markierung von Männern und Frauen, deren bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht auch mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt. Transgeschlechtlichkeit betrifft Menschen, deren bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt. Dies können auch non-binäre Menschen sein, die sich nicht der zweigeschlechtlichen Ordnung zugehörig fühlen. Intergeschlechtlichkeit beschreibt, wenn die körperlichen Geschlechtsmerkmale eines Menschen nicht eindeutig einem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können.
[3] Vertiefungen zu Queerness sind im anschließenden Kapitel zu finden.
[4] Die Akzeptanz von Queerness wird in westlichen Gesellschaften als Indikator für Moderne und Fortschrittlichkeit konstruiert. Indem westliche Nationen nicht-westlichen Queerfeindlichkeit unterstellen, grenzen sie sich ab und legitimieren beispielsweise rassistische Migrationspolitiken. Dass queere Menschen auch in westlichen Nationen Diskriminierung erfahren, wird im Diskurs oftmals verdeckt (vgl. Puar, 2017).
Das bringt uns zum eingangs angeführten Fallbeispiel zurück und damit auch zurück in den Klassenraum. Mit mehreren Beispielen konnten wir zeigen, dass Geschlecht in verschiedensten Momenten hergestellt und mit Rollenerwartungen versehen wird. Dies macht nicht nur eine genderreflexive Ansprache von Schüler:innen notwendig, sondern auch die Reflexion genderspezifischer Assoziationen in unterschiedlichen, kleinen Momenten, die sich für privilegierte Menschen vielleicht sehr banal anfühlen, aber für Marginalisierte einen erheblichen Unterschied machen können. Dazu gehört beispielsweise die Offenheit für normabweichende Pronomen und Ansprachewünsche der Schüler:innen. Um hier keine unangenehmen Situationen im Klassenraum vor der Gesamtgruppe zu erzeugen, hilft es, Wünsche zur Ansprache noch vor Unterrichtsbeginn beispielsweise per Mail abzufragen. Es gilt also, verschiedene Aspekte abzuwägen und Handlungsweisen kontextbezogen anzupassen, um Schüler:innen in ihrer Identitätsentwicklung zu fördern und Handlungsweisen auf die möglichen Auswirkungen auf die berufliche Entfaltung der Jugendlichen zu untersuchen. Folgende Fragen können (Berufsschul-)Lehrpersonen als Anregung zur Reflexion der eigenen Haltung dienen und ihnen helfen, ihren Blick in Bezug auf Ausgrenzungen und Auslassungen zu schärfen:
- Was kann und muss ich in Bezug auf Geschlechtervielfalt wissen und vermitteln?
- Wie kann ich notwendige Prozesse anregen, die binäre Geschlechterlogik zu hinterfragen?
- Welche Beispiele außerhalb von Heteronormativität gebe ich in meinem Sprechen und im Lernmaterial?
- Wie kann ich Schüler:innen dabei unterstützen, in ihren jeweiligen Berufskontexten ihre eigene Geschlechtsidentität selbstsicherer zu vertreten?
- Wie gehe ich damit um, dass möglicherweise an meiner Schule im Kollegium ein Hinterfragen dieser Normen als irritierend empfunden wird?
Folgende Aufgaben laden mit konkreten Übungen dazu ein, genderbewusst(er) mit Schüler*innen und Kolleg*innen zu agieren:
- Beschreiben Sie in Ihren eigenen Worten kurz den in dieser Lerneinheit ausgeführten Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Zuschreibungen und möglichen Geschlechtsidentitäten. Bitte ergänzen Sie ein paar Vorschläge, wie verschiedene Geschlechter auch sprachlich berücksichtigt werden können.
- Gehen Sie auf das Portal: Gendering MINT digital: https://www2.hu-berlin.de/ genderingmintdigital/ und suchen Sie sich hier ein Kapitel zu Gender & Informatik, Mathematik oder Physik aus und bearbeiten Sie es. Halten Sie Ihre drei wichtigsten Erkenntnisse aus dem jeweiligen Kapitel schriftlich fest.
Weiterführende Literatur und Links:
- Antidiskriminierungsstelle, Dossier Die Dritte Option: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ThemenUndForschung/Geschlecht/Dritte_Option/Dritte_Option_node.html
- Änderung der Schreibweise in Bezug auf Geschlecht im Duden 2020: https://www.deutschlandfunk.de/er-sie-die-genderfrage-im-rechtschreibrat.724.de.html?dram:article_id=433109
Bundesinstitut für Berufswahl/Dossier Gendersensible Berufswahl: https://www.bibb.de/de/16743.php - Butler, J. (2006). Haß spricht. Zur Politik des Performativen (Edition Suhrkamp, Bd. 2414). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Debus, Katharina; Laumann, Vivien. (Hg.) (2018). Pädagogik geschlechtlicher, amouröser und sexueller Vielfalt. Zwischen Sensibilisierung und Empowerment. Berlin: Dissens – Institut für Bildung und Forschung. URL: https://interventionen.dissens.de/materialien/handreichung
- Deutschlandfunkkultur Radiobeitrag zu 30 Jahre „Gender Trouble“ von Judith Butler: https://www.deutschlandfunkkultur.de/30-jahre-gender-trouble-von-judith-butler-explosiver.2162.de.html?dram:article_id=471344
- Engel, Antke. (2008). Geschlecht und Sexualität. Jenseits von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität. In: Moebius, Stephan / Reckwitz, Andreas (Hg.): Poststrukturalistische Sozialwissenschaft, Suhrkamp, Frankfurt/M 2008, S. 330-346.
- Engel, Antke. (2007). Entschiedene Interventionen in der Unentscheidbarkeit. Von queerer Identitätskritik zur VerUneindeutigung als Methode. In: Harders, Cilia / Kahlert, Heike / Schindler, Delia (Hg.): Forschungsfeld Politik, VS Verlag, Wiesbaden 2005, S. 261-282; Reprint in: Hark, Sabine (Hg.): Dis/Kontinuitäten. Feministische Theorie, VS Verlag, Wiesbaden, 2. überarbeitete Edition, 2007, S. 285-304.
- Fachstelle Gender NRW – Geschlechtergerechtigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe: www.gender-nrw.de/
- Faulstich-Wieland, Hannelore. (2016). Berufsorientierung und Geschlecht. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
- Faulstich-Wieland, Scholand, Barbara. (2015). Berufsorientierung und Gender – Werkstattbericht aus einem Forschungsprojekt an Stadtteilschulen in Hamburg. In Gender. Heft 1, 2015, S. 79-96.
- Gender Toolbox. Freie Universität Berlin. Online: https://www.genderdiversitylehre.fu-berlin.de/index.html. [letzter Zugriff 29.2.2020].
- Gendern in den Nachrichten. Online: https://taz.de/ZDF-Moderatorin-uebers-Gendern/!5741686/ [letzter Zugriff 22.1.2020].
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- Hornscheidt, Lann (zusammen mit Walgenbach, Katharina; Dietze, gabriele, Palm, Kerstin). Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität. Barbara Budrich, Leverkusen 2007
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- Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie. Online: www.schule-der-vielfalt.de/. [letzter Zugriff 26.2.2020].
- Transdisziplinäres Online-Nachschlagwerk. Online: https://gender-glossar.de/. [letzter Zugriff 12.2.2020].
- Zentrum Politik und Schule: Dossier Gender und Bildung. Online: https://daz.schule.at/fileadmin/DAM/Gegenstandsportale/Gender_und_Bildung/Dateien/100686.pdf. [letzter Zugriff 26.2.2020].
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